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238

Jörg Bogumil/Sabine Kuhlmann

Diskurs

gegenüber anderen Legitimationsquellen, wie

Recht

und

Expertise

,

an Bedeutung

verlieren. In vielen entwickelten Demokratien nehmen die Anzahl und Bedeutung nicht

majoritärer (Experten-)Gremien zu. Obwohl sie über kein klares demokratisches Mandat

verfügen, werden sie Teil legislativer und exekutiver Entscheidungsprozesse (vgl.

Land-

wehr

2014). Während die Unzufriedenheit mit den Kerninstitutionen der parlamentari-

schen Demokratie, den Parlamenten und Parteien, zunimmt, verfügen nicht-majoritäre In-

stitutionen, wie Zentralbanken, Verfassungsgerichte oder Enquetekommissionen, über ein

hohes Ansehen in der Bevölkerung. Dies ist umso erstaunlicher, als sich solche nicht-

majoritären Institutionen eher durch Expertise denn durch Mitsprache auszeichnen.

Auffällig ist, dass diese Diskussionen von der Verwaltungswissenschaft bisher wenig

aufgegriffen worden sind, obgleich mit den genannten Verschiebungen wesentliche Kern-

funktionen der öffentlichen Verwaltung über Sektoren und Ebenen hinweg berührt und

teils gravierend verändert werden. Das hat sicherlich damit zu tun, dass die These einer

„zurückgehenden oder veränderten Legitimation staatlichen Handelns“ vor allem mit den

Folgen der Europäisierung, der Parteien- und Vertrauenskrise, rückläufiger Wahlbeteili-

gung oder neuen Formen von Bürgerbeteiligung in Verbindung gebracht wird und viel-

fach auf Parteien und Parlamente konzentriert ist. Dagegen stand die öffentliche Verwal-

tung bislang kaum im Zentrum dieser Diskussionen.

Diese Lücke wird im Folgenden aufgegriffen und in den Beiträgen dieses Schwer-

punktheftes aus unterschiedlichen Perspektiven adressiert. Ausgangspunkt ist dabei die

Annahme, dass die Legitimität und damit längerfristige Stabilität von Institutionen (vgl.

Suchman

1995, S. 574) eng mit dem Handeln der öffentlichen Verwaltung, aber auch de-

ren Kontrolle und Steuerung, verbunden sind. Gute Bürokratie kann eine Quelle von Le-

gitimation sein; unzureichendes Verwaltungshandeln kann Legitimationsverluste bewir-

ken. Dabei zeigen die vorliegenden Analysen, dass sich in diesem Wechsel- und Zusam-

menspiel von öffentlichem Verwaltungshandeln und Legitimität in den vergangenen Jahr-

zehnten wichtige Veränderungen vollzogen haben, die es hier zu reflektieren gilt.

Ausgegangen wird dabei davon, dass sich demokratische Legitimität nicht nur aus

Mitbestimmung und „gerechten Verfahren“ (Input), sondern auch aus der Qualität der

Entscheidungsproduktion und Performanz (Output) speist (vgl. ausführlicher weiter un-

ten). Von daher müssen beide Mechanismen betrachtet werden, wenn der Zusammenhang

von Verwaltungshandeln und Legitimität untersucht werden soll. Zudem sind Input- und

Outputlegitimierung in der politischen Praxis eng miteinander verknüpft. Unsere These ist

nun, dass beide Quellen der Legitimationsbeschaffung signifikante Veränderungen durch-

laufen haben, die die öffentliche Verwaltung intensiv berühren. Die zentrale Untersu-

chungsfrage lautet: Inwieweit und wodurch bedingt haben sich die Legitimationsquellen

und die Legitimität des Verwaltungshandelns verändert?

Hierzu wird im Folgenden zunächst auf die zentralen Konzepte von Legitimität und

Legitimierung eingegangen (2), anschließend auf den empirisch beobachtbaren Wandel

von Legitimationsquellen (3) und abschließend ein vorläufiges Fazit gezogen (4).

2 Konzepte von Legitimität und Legitimierung

In der internationalen wissenschaftlichen Debatte hat das Thema „Legitimität“ seit einiger

Zeit wieder Konjunktur, wobei es häufig in engem Zusammenhang mit den eng verwand-

ten Konzepten von „Verantwortlichkeit“ („accountability“; vgl

. Bovens

2007;

Page

2010;