Legitimation von Verwaltungshandeln ‒ Veränderungen und Konstanten
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ten repräsentativ-demokratischen Legitimierungswege ergänzt durch kooperative und in-
novative Partizipationsformen, wie Bürgerformen, Konsultationen, e-Democracy, auch
verstärkt unter Nutzung sozialer Medien (vgl.
Holtkamp et al.
2006;
Kersting et al.
2016).
Entsprechend hat sich auch die „Betroffenheit“ der öffentlichen Verwaltung von diesen
veränderten Legitimierungsmechanismen gewandelt. Nicht nur die gestiegene Anzahl und
Häufigkeit von – zunehmend auch rechtlich kodifizierten – Beteiligungsprozessen in den
verschiedensten Aufgabenfeldern (Planung, Infrastruktur, Energie- und Umweltpolitik
etc.) können unter ungünstigen Bedingungen die öffentliche Verwaltung institutionell
überfordern, vor allem dann, wenn Ressourcenknappheit (z.B. durch Personalabbau) auf
„participatory overkill“ trifft. Auch die Tatsache, dass die in Deutschland seit den 1990er-
Jahren rechtlich bindenden (lokalen) Bürgerbegehren oder andere Formen der Partizipati-
on, wie Internetkampagnen, quasi als Damoklesschwert über den Köpfen der exekutiven
Gremien schweben, verändert Handlungs- und Entscheidungsprozesse in der öffentlichen
Verwaltung.
Allerdings agiert die Verwaltung in diesen neuen partizipatorischen Arenen oftmals
auch selbst als Moderator von Beteiligungsprozessen, da ihr das Beteiligungsmanagement
obliegt und sie auch die Verarbeitung und Umsetzung von Beteiligungsergebnissen, so-
weit diese stattfindet, zu steuern hat. Wird mit diesen Verfahren einerseits die normative
Erwartung steigender Legitimität durch Beteiligung verknüpft, zeigt die empirische Reali-
tät auch bei diesen neuen Verfahren zwei schon länger bekannte Problemlagen (
Holtkamp
et al.
2006, S. 255). Zum einen werden Beteiligungsergebnisse nur begrenzt umgesetzt,
was eher zu sinkender Legitimität führen dürfte. Zum anderen wirken auch diese neuen
Partizipationsinstrumente sozial selektiv, d.h. artikulationsschwächere Gruppen sind be-
nachteiligt, sodass dies ebenfalls nicht zur Legitimationssteigerung führen muss. Aller-
dings gibt es hinsichtlich der Fragen nach der faktischen Wirksamkeit der neuen Formen
von Inputlegitimierung, also danach, ob sie tatsächlich die Legitimation steigern helfen
und unter welchen Bedingungen dies funktioniert und wann nicht, wenig gesicherte empi-
rische Evidenz.
Vor diesem Hintergrund sind die Prozesse der frühen Bürgerbeteiligung bei großen
Infrastrukturvorhaben von besonderem Interesse. So zeigen
Fink/Ruffing
, dass
Bürgerbe-
teiligung
neuerdings zur Durchsetzung von Infrastrukturmaßnahmen schon bei der
Be-
darfsplanung
für den Netzausbau verpflichtend eingesetzt wird. Im Lichte unterschiedli-
cher Zielperspektiven arbeiten sie heraus, was sich die politischen Akteure von der Öf-
fentlichkeitsbeteiligung vor allem erhoffen, nämlich die Steigerung der Inputlegitimität
und der Akzeptanz des Netzausbaus.
Bauer
untersucht im gleichen Themenbereich, also der neuen Planungs- und Zulas-
sungsverfahren für Hoch- und Höchstspannungsnetze, mögliche Auswirkungen der brei-
ten Öffentlichkeitsbeteiligung. Er kommt zu der kritischen Einschätzung, dass die zahlrei-
chen Beteiligungsmöglichkeiten nicht zur erhofften Legitimierung der Planungs- und Zu-
lassungsverfahren beitragen werden, sondern im Gegenteil zu Enttäuschung und Frustra-
tion bei den Teilnehmern führen könnten, da Beteiligungserwartungen und -möglich-
keiten relativ weit auseinanderfallen. So zeigen die Betrachtung des Planungs- und Zulas-
sungssystems und die Auswertung von Stellungnahmen, dass Beteiligungskonflikte vor-
programmiert sind und die Beteiligungsmöglichkeiten auf den ersten Planungs- und Zu-
lassungsstufen nicht die erhoffte Legitimationswirkung entfalten. Stattdessen scheinen
Ablehnung und Misstrauen bei den Teilnehmern – auch den Trägern öffentlicher Belange
– zu überwiegen.