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Gisela Färber/Dirk Zeitz

In all den Fällen, wo durch das Gesetz unmittelbare Umverteilungsmaßnahmen vor-

genommen werden, stehen dem Erfüllungsaufwand der einen Gruppe entsprechende

Mehreinkommen einer anderen Gruppe gegenüber. Steuer- oder Beitragseinnahmen,

die unter den haushaltswirtschaftlichen Folgen der Rechtsetzung erfasst werden, ste-

hen nicht mehr als optisch neutralisierende „Puffer“ zwischen Belasteten und Begüns-

tigten. Hier „neutralisieren“ quantifizierte unmittelbare Nutzen die einseitige Dimen-

sion der Kosten.

‒ Mittelbare Nutzen

entstehen indirekt über die Veränderung ökonomischer Aggrega-

te. Dazu zählen „konkrete“ Veränderungen bei Beschäftigung, Investitionen, Konsum

und Preisniveau sowie davon ausgehende Multiplikatoreffekte. Darüber hinaus sind

individuelle längerfristige Nutzen bei Normadressaten und ggf. weiteren Begünstigten

zu berücksichtigen sowie weitere und ggf. längerfristige Entlastungseffekte für öffent-

liche Haushalte. Diese Nutzen sind schwer quantifizierbar und auch nicht mit einem

Standard-Nutzen-Konzept erfassbar. Sie sind häufig nicht im Detail nachvollziehbar

und entziehen sich somit einer praktikablen routinemäßigen Gesetzesfolgenabschät-

zung mit Ausnahme einer allgemein gehaltenen Prüfung in Form von Rahmenbedin-

gungen, wie dies bei der Prüfung auf Preise und Inflationsrate erfolgt.

Beispiel Mindestlohngesetz

(MiloG)

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Am Beispiel des Mindestlohngesetzes lassen sich verschiedene Probleme der einseitigen

Fokussierung der Kostenseite und die Möglichkeiten der Quantifizierung des Erfüllungs-

nutzens deutlich machen.

Bei diesem Gesetzentwurf wurde der Erfüllungsaufwand in der ursprünglichen Versi-

on nicht ausgewiesen, was nicht nur vom Nationalen Normenkontrollrat

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kritisch kom-

mentiert wurde, sondern auch von verschiedenen Seiten aus der Wirtschaft und der Öf-

fentlichkeit. Das Vorblatt zum Gesetzentwurf enthält bzgl. des Erfüllungsaufwands für

die Wirtschaft (E.2) nur die Aussage „Bürokratiekosten entstehen für die Wirtschaft nur

in geringem Maße“. Zum Erfüllungsaufwand der Wirtschaft wird in der Gesetzesbegrün-

dung ausgeführt: „Durch die in § 2 geregelte Fälligkeit des Mindestlohns entsteht der

Wirtschaft kein zusätzlicher Erfüllungsaufwand, da bei allen bestehenden Arbeitsverhält-

nissen bereits seine Fälligkeit besteht, entweder durch tarifvertragliche bzw. einzelver-

tragliche Festlegung oder für den Fall, dass keine Vereinbarung getroffen worden ist, über

§ 614 des Bürgerlichen Gesetzbuches. Ein möglicher Mehraufwand für die Umstellung

bestehender Regelungen lässt sich nicht quantifizieren“.

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Auf Drängen des NKR schob

das Ressort eine Quantifizierung des Erfüllungsaufwands nach und bezifferte diesen auf

einen Mehraufwand der Wirtschaft infolge der Lohnsteigerungen auf Grund des Mindest-

lohns in Höhe von 9,6 Mrd. Euro sowie Erfüllungsaufwand bei der Zollverwaltung von

zusätzlich erforderlichen 1.600 Mitarbeiterkapazitäten mit einem Kostenvolumen von 80

Mio. Euro.

Dem ausgewiesenen Erfüllungsaufwand stehen jedoch unmittelbare Nutzen/Erträge

gegenüber. Nach einem Gutachten des DIW sind von der Einführung des gesetzlichen

Mindestlohns 4,5 Mio. Personen betroffen, davon 1,6 Mio. Vollzeit- und 1,3 Mio. Teil-

zeitbeschäftigte sowie eine hohe Zahl von Minijobbern und Schülern, Studierenden,

Rentnern und Arbeitslosen.

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Insb. die Voll- und Teilzeitbeschäftigten erhalten über den

Mindestlohn ein höheres Bruttoeinkommen, das nach den Berechnungen des DIW im

Mittel bei 1,98 bzw. 1,90 Euro liegt.

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Die zusätzlichen Einkommen dürften größtenteils

steuer- und sozialabgabenpflichtig sein,

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sodass der Nettoeinkommenseffekt um 1,34