Background Image
Previous Page  113 / 120 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 113 / 120 Next Page
Page Background

352

Gisela Färber/Dirk Zeitz

ren Verwaltungskosten und die geringeren bürokratischen Belastungen der Bürgerinnen

und Bürger zu vermindern. Die derzeit vorgebrachten Kritikpunkte der Arbeitgeber hin-

sichtlich des bürokratischen Aufwands der geforderten Arbeitszeitaufschreibungen

38

sind

nicht ernsthaft zu berücksichtigen, denn diese Pflicht besteht seit mehr als 20 Jahren und

kann nicht dem Mindestlohn zugerechnet werden.

Dass mit dem Mindestlohn eine zumindest zu Beginn deutliche Umverteilung zuguns-

ten gering verdienender Beschäftigter einhergeht, kann und sollte bei einer vollständigen

Gegenüberstellung von Erfüllungsaufwand – hier für die Arbeitgeber – und standardisier-

ten Nutzen – für die höher entlohnten Beschäftigten – nicht übersehen werden. Da aber

der Mindestlohn gerade ein eklatantes Marktversagen heilen soll und langfristig zu stabi-

leren Arbeitsmärkten im demografischen Wandel beitragen kann, könnte genau diese

„Ehrlichkeit“ die Legitimation dieses Markteingriffes noch erhöhen.

4.3 Benchmarking des Erfüllungsaufwands bei Vollzug durch

Länder und Gemeinden

Die Grundstruktur des deutschen Föderalismus, die durch die Zentralisierung der Gesetz-

gebung und die Dezentralisierung des Vollzugs gekennzeichnet ist, bedingt Vollzugsun-

terschiede zwischen den vollziehenden Akteuren, die durchaus die Effizienz staatlichen

Handeln fördern können.

39

Systematische Erkenntnisse über unterschiedliche Vollzugs-

wege einzelner Gesetze gibt es kaum, es gibt lediglich anlassbezogene Vergleiche über

Unterschiede in der institutionellen Verortung von administrativen Aufgabenverantwor-

tungen.

40

Zu den wenigen Studien, die sich mit unterschiedlichen Bürokratiekosten im

Vollzug auseinandergesetzt haben, zählen die „Einfacher-zu“-Projekte aus den Jahren

2009 und 2010 und einige Projekte zur Ermittlung des Erfüllungsaufwands.

41

Die dort

festgestellten Unterschiede beim Erfüllungsaufwand von Bürgerinnen und Bürgern einer-

seits und vollziehenden Behörden andererseits auf Basis von SKM-Messungen waren je-

doch selbst im Fall der Bundesauftragsverwaltung (Wohngeld, Elterngeld) erheblich.

Dass der Zeitaufwand für die Antragsbearbeitung z.B. im Fall des Wohngeldes in einer

Wohngeldbehörde bis zu fünfmal höher war als in der Verwaltung mit dem geringsten er-

mittelten Zeitaufwand, deutet eventuell auf große nicht ausgeschöpfte Effizienzreserven

hin, die mit der unterschiedlichen Wahrnehmung der Vollzugskompetenzen in einem Zu-

sammenhang stehen könnten. Es liegt nahe zu vermuten, dass die Art und Weise des Voll-

zugs danach nicht nur Auswirkungen auf eine effektive und effiziente Erfüllung haben,

sondern auch auf den Erfüllungsaufwand der anderen Normadressaten oder auch be-

troffener Dritter.

Beispiel Wohngeldgesetz

Am Vollzug des Wohngeldgesetzes (WoGG) lassen sich verschiedene Auswirkungen der

Trennung von Gesetzgebung und Vollzug auf die Gesetzesfolgen empirisch nachvollzie-

hen. Das Wohngeldgesetz wird in Bundesauftragsverwaltung vollzogen und regelt den

Bezug vom Wohngeld für Haushalte, deren Einkommen unter bestimmten Grenzen liegt.

In der Praxis zeigen sich 16 verschiedene Vollzugsgestaltungen, die u.a. an den An-

tragsformularen und an der Organisation der Arbeitsprozesse zur Antragsbearbeitung in

den zuständigen Behörden festgemacht werden können. Die Länge und Gestaltung eines

Antragsformulars, die Anzahl an Fragen, der Umfang an Hinweisen und die Informati-

onsangaben und -verlangen haben einen Effekt auf den Zeitaufwand und damit den Erfül-