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Gisela Färber/Dirk Zeitz
ren Verwaltungskosten und die geringeren bürokratischen Belastungen der Bürgerinnen
und Bürger zu vermindern. Die derzeit vorgebrachten Kritikpunkte der Arbeitgeber hin-
sichtlich des bürokratischen Aufwands der geforderten Arbeitszeitaufschreibungen
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sind
nicht ernsthaft zu berücksichtigen, denn diese Pflicht besteht seit mehr als 20 Jahren und
kann nicht dem Mindestlohn zugerechnet werden.
Dass mit dem Mindestlohn eine zumindest zu Beginn deutliche Umverteilung zuguns-
ten gering verdienender Beschäftigter einhergeht, kann und sollte bei einer vollständigen
Gegenüberstellung von Erfüllungsaufwand – hier für die Arbeitgeber – und standardisier-
ten Nutzen – für die höher entlohnten Beschäftigten – nicht übersehen werden. Da aber
der Mindestlohn gerade ein eklatantes Marktversagen heilen soll und langfristig zu stabi-
leren Arbeitsmärkten im demografischen Wandel beitragen kann, könnte genau diese
„Ehrlichkeit“ die Legitimation dieses Markteingriffes noch erhöhen.
4.3 Benchmarking des Erfüllungsaufwands bei Vollzug durch
Länder und Gemeinden
Die Grundstruktur des deutschen Föderalismus, die durch die Zentralisierung der Gesetz-
gebung und die Dezentralisierung des Vollzugs gekennzeichnet ist, bedingt Vollzugsun-
terschiede zwischen den vollziehenden Akteuren, die durchaus die Effizienz staatlichen
Handeln fördern können.
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Systematische Erkenntnisse über unterschiedliche Vollzugs-
wege einzelner Gesetze gibt es kaum, es gibt lediglich anlassbezogene Vergleiche über
Unterschiede in der institutionellen Verortung von administrativen Aufgabenverantwor-
tungen.
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Zu den wenigen Studien, die sich mit unterschiedlichen Bürokratiekosten im
Vollzug auseinandergesetzt haben, zählen die „Einfacher-zu“-Projekte aus den Jahren
2009 und 2010 und einige Projekte zur Ermittlung des Erfüllungsaufwands.
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Die dort
festgestellten Unterschiede beim Erfüllungsaufwand von Bürgerinnen und Bürgern einer-
seits und vollziehenden Behörden andererseits auf Basis von SKM-Messungen waren je-
doch selbst im Fall der Bundesauftragsverwaltung (Wohngeld, Elterngeld) erheblich.
Dass der Zeitaufwand für die Antragsbearbeitung z.B. im Fall des Wohngeldes in einer
Wohngeldbehörde bis zu fünfmal höher war als in der Verwaltung mit dem geringsten er-
mittelten Zeitaufwand, deutet eventuell auf große nicht ausgeschöpfte Effizienzreserven
hin, die mit der unterschiedlichen Wahrnehmung der Vollzugskompetenzen in einem Zu-
sammenhang stehen könnten. Es liegt nahe zu vermuten, dass die Art und Weise des Voll-
zugs danach nicht nur Auswirkungen auf eine effektive und effiziente Erfüllung haben,
sondern auch auf den Erfüllungsaufwand der anderen Normadressaten oder auch be-
troffener Dritter.
Beispiel Wohngeldgesetz
Am Vollzug des Wohngeldgesetzes (WoGG) lassen sich verschiedene Auswirkungen der
Trennung von Gesetzgebung und Vollzug auf die Gesetzesfolgen empirisch nachvollzie-
hen. Das Wohngeldgesetz wird in Bundesauftragsverwaltung vollzogen und regelt den
Bezug vom Wohngeld für Haushalte, deren Einkommen unter bestimmten Grenzen liegt.
In der Praxis zeigen sich 16 verschiedene Vollzugsgestaltungen, die u.a. an den An-
tragsformularen und an der Organisation der Arbeitsprozesse zur Antragsbearbeitung in
den zuständigen Behörden festgemacht werden können. Die Länge und Gestaltung eines
Antragsformulars, die Anzahl an Fragen, der Umfang an Hinweisen und die Informati-
onsangaben und -verlangen haben einen Effekt auf den Zeitaufwand und damit den Erfül-